Was wir von Steve Jobs und Hermann Hesse über Veränderung lernen sollten

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Es ist völlig unbestritten, dass regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und Nichtrauchen nicht nur unser Leben im Durchschnitt um 7 bis 15 Jahre verlängern, sondern vor allem auch die Lebensqualität im letzten Lebensabschnitt. Obwohl wir das wissen, verstoßen die meisten von uns in ihrem täglichen Leben konsequent gegen diese einfachen Prinzipien. In der Wirtschaft nennt man diese Praxis „Management by Harakiri“, das heißt die souveräne und dauernde Missachtung aller Fakten. So empören sich gerade verantwortliche Landespolitiker öffentlich darüber, dass ihnen niemand gesagt hat, dass man mit Währungsspekulationen auch Geld verlieren kann – ziemlich viel sogar.

Warum daran auch die guten Vorsätze zu Neujahr nichts ändern, wurde wie jedes Jahr in fast allen Medien breitgetreten. Zusammengefasst: Wir scheitern so oft mit unseren guten Vorsätzen, weil unser Glaube, dass wir uns verändern wollen, unseren Willen, uns tatsächlich zu verändern, um ein Vielfaches übersteigt. Wie ein Gummiband werden wir von unseren guten Vorsätzen weg- und zur Selbstsabotage hingezogen. Oder einfacher formuliert leben wir gerne nach der Philosophie: „Als ich von den schlimmen Folgen des Trinkens las, gab ich sofort das Lesen auf.“

Für viel spannender halte ich die Suche nach den Ursachen, warum Menschen sich gar so schwer tun ihr Verhalten auch nur ein bisschen zum Positiven zu verändern. Das Problem ist, dass jene Antworten die uns die Wissenschaft liefert, meist so komplex sind, dass sie für die praktische Anwendung wenig hilfreich sind, und jene Rezepte, die uns Ratgeber und Lebenshilfe-Gurus anbieten, zwar sehr simpel in der Anwendung, aber bei eingeschaltetem „Bullshit Detektor“ schnell als wissenschaftlich unhaltbar identifizierbar sind. Daher, wenn schon Gurus, dann zwei, die in ihrem Leben zumindest einiges zusammengebracht haben: Steve Jobs und Hermann Hesse.

Gute Vorsätze sind ähnlich sinnlos wie Businesspläne. Oder kennen Sie eine einzige erfolgreiche Unternehmensgründung, die sich in den ersten Jahren brav an die Zahlen im Businessplan gehalten hat? Daran glauben wohl nicht einmal die Banken, die diese sinnlose Pflichtübung Jungunternehmern aufzwingen. Ob etwas erfolgreich ist, erkennt man immer erst in der Rückschau. Das hat schon Steve Jobs in seiner berühmten Rede „Stay hungry, stay foolish“ für sich erkannt: „Du kannst die Ereignisse in Deinen Leben immer erst im Nachhinein zu einer Linie verbinden.“ Steve Jobs erzählte, wie er aus Verzweiflung über seine falsche Studienwahl, einen Kalligrafie-Kurs besuchte und mit großer Begeisterung etwas praktisch völlig Sinnloses lernte. Als er zehn Jahre später gemeinsam mit Steve Wozniak den ersten Macintosh-Computer entwarf, tauchte dieses tief in ihm verborgene Wissen wieder auf und war der Grund, warum dies der erste Computer mit einer wunderschönen Typografie wurde. Nicht aus jedem Studienabbrecher, der sich in ein scheinbar nutzloses Hobby verrennt, wird später einmal ein großer Computerpionier. Die Botschaft von Steve Jobs ist eine andere, deren Gültigkeit schon der große Philosoph Søren Kierkegaard viele Jahre vor ihm formuliert hat: „Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden.“

Warum wir uns trotz innerem Schweinhund und Beharrungsvermögen im Laufe unseres Lebens weit stärker verändern als uns das selbst bewusst ist, entschlüsselt Hermann Hesse in seinem Gedicht „Stufen“. „Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.“ Da wir uns aber freiwillig kaum aus unserer Komfortzone herausbewegen hilft der Weltgeist, durch Krankheit, Jobverlust, Scheidung oder andere unerwartete äußere Einflüsse gerne ein bisschen nach um uns auf die nächste Stufe zu schubsen. Und siehe da, auf einmal müssen wir liebgewonnene Gewohnheiten aufgeben, Risiken eingehen, Neues lernen. Wir verändern uns nicht weil wir uns das vornehmen oder wollen, sondern weil wir dazu gezwungen werden.

Fazit: Am Beginn eines neuen Jahres ist es weitaus produktiver zurückzuschauen als große Pläne für die Zukunft zu entwerfen. Im Zentrum unserer Bilanz sollte jenes Subjekt stehen, das sich in der Vergangenheit sprunghafter und unkalkulierbarer verhalten hat, als wir es je erwartet hätten: Unsere eigene Persönlichkeit. Je genauer wir die rote Linie deuten können, die unser bisheriges Leben hinterlassen hat, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir die nächste Stufe gut meistern anstatt zu stolpern.