Lieber Freund von Waldzell,
so beeindruckend der technisch-ökonomische Fortschritt des letzten Jahrhunderts auch gewesen sein mag, so hoch ist der Preis, der dafür zu bezahlen war. Das Schneller, Höher, Mehr hat das Richtige, das Wahre, das Menschliche in vielen Dimensionen unserer Existenz marginalisiert.
Ist unser Leben „eine Geschichte, von einem Idioten erzählt, voller Schall und Raserei, ohne Bedeutung“, wie Shakespeare in „Macbeth“ schreibt?
Nein, es muss möglich sein, ein Gegenmodell zum Primat von technokratischer Effizienz und kalter Scheinrationalität zu entwerfen. Ein Gegenmodell auf der intellektuellen Höhe unserer Zeit; keine esoterische Wärmestube, in der man seinen Kopf an der Garderobe abzugeben hat.
Dieser Gedanke stand am Anfang meiner Vision von Waldzell. Was Hermann Hesse als literarische, romantische Vision erträumt hat, wollte ich Wirklichkeit werden lassen: Einen Ort, an dem sich die besten Köpfe aus Wissenschaft, Kunst und Spiritualität gegenseitig inspirieren, um die Welt – und damit sich selbst – ein bisschen besser zu machen. Ja vielleicht sogar das Undenkbare zu denken, wie wir diesen Planeten neu, menschlicher, geistiger formen können.
Vier Waldzell Meetings haben gezeigt, dass der Zeitgeist nicht notwendiger Weise nur in eine Richtung weht, dass es mehr Mut zur Spiritualität, zum idealistischen Engagement, zum gedanklichen Experiment gibt als ich zu träumen gewagt hätte.
Dieses vierte Meeting, an dem auch Seine Heiligkeit der Dalai Lama teilnahm, war das schönste und zugleich das letzte, das ich mitgestaltet habe.
Gestärkt und inspiriert durch die vielen guten Waldzell-Gespräche ist es Zeit für mich, weiter zu gehen und dort anzusetzen, wo Neues nicht nur gedacht, sondern auch umgesetzt werden kann. Und das macht man am Besten ganz am Anfang.
Dort, wo wir lernen, die Welt zu verstehen. Ich möchte die Kluft zwischen dem, was die Kinder auf der ganzen Welt heute tagtäglich in der Schule lernen, und dem, was sie tatsächlich für die Zukunft bräuchten, kleiner machen. Das Ziel dieses neuen Projekts ist es, mit den besten Köpfen der Welt die Schule von morgen neu zu erfinden. Das heißt auch, dass ich den Geist von Waldzell weiter tragen möchte, denn das fiktive Land Kastalien im Roman „Das Glasperlenspiel“ ist vor allem für seine besonderen Schulen berühmt.
Ich danke den vielen Freunden, die Gundula und mir geholfen haben, Waldzell in vier Jahren zu dem zu machen, was es heute ist. Gundula hat sich bereit erklärt, Waldzell alleine weiter zu führen. Ich wünsche Gundula viel Kraft dafür und ersuche alle, sie dabei zu unterstützen.
„Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde.“
Andreas Salcher