01.10.2019
Wenn wir einen nationalen Konsens darüber erreichen, die besten Kindergärten und Volksschulen zu schaffen, so hätten wir mit ziemlicher Sicherheit in zehn Jahren eines der besten Schulsysteme der Welt. Es gibt keine andere Maßnahme, die mit einem vergleichsweise geringen Aufwand einen derart positiven Effekt auf unser Bildungssystem hätte. Die Bildungs- und Gehirnforscher sind sich einig darüber, dass die Investition in kompetente frühkindliche Pädagogik jene Maßnahme ist, die den maximalen langfristigen Bildungsnutzen bringt. Der Gehirnforscher Gerald Hüther sagt: „In den ersten drei Jahren lernen wir mehr als im Rest unseres Lebens.“ Das Fördern von Neugier und Lernfreude, das Lernen von sozialen Regeln, Konfliktfähigkeit, Sprachkompetenz und vieles mehr lassen sich in den Kindergärten mit einem geringen Aufwand wesentlich positiv beeinflussen. Österreich ist derzeit neben der Slowakei das einzige Land in der EU, das seinen Kinderpädagoginnen eine universitäre Ausbildung verweigert. Dabei müssten wir unsere Kinderpädagoginnen endlich akademisch ausbilden und die Gruppengrößen halbieren. Kanada zahlt seine Kinderpädagoginnen genau so gut wie seine Oberstufenlehrer. Genau das sollten wir auch tun.
Im Gegensatz zum Intelligenzquotienten (IQ), der sich nur wenig steigern lässt, können wir unsere sozialen Kompetenzen wesentlich verbessern. Eine Vielzahl von aktuellen Studien beweist, dass der Grad der individuellen Selbstdisziplin kein Schicksal ist, sondern sich im Laufe des Lebens wie ein Muskel trainieren lässt. Eigenschaften wie Frustrationstoleranz, Beharrlichkeit, Sorgfalt und Geduld können unabhängig vom IQ und der sozioökonomischen Herkunft signifikant verbessert werden. Die systematische Förderung von sozialen und kommunikativen Kompetenzen in der Schule wäre eine der sinnvollsten Aufgaben. Wie das geht? Die Einführung des Maturagegenstandes „Kommunikation und Sozialkompetenz“, von den Schülern liebevoll „KoSo“ genannt, war ein zentrales Element für den Erfolg der „Sir Karl Popper Schule“.
Im Kern kommen die Vergleichsstudien über Bildungssysteme zu einer übereinstimmenden Grundaussage: Es sind die Lehrer, die die Qualität eines Bildungssystems ausmachen. Ein Schulsystem kann nicht besser sein als die Summe seiner Lehrer Gelingt es einem Land, den Lehrerberuf zu einem der drei attraktivsten Berufe für Studenten zu machen, dann aus der Vielzahl der Bewerber die besten auszuwählen, diese praxisnah auszubilden und regelmäßig auf hohem Niveau weiterzubilden und sie dabei zu unterstützen, damit sie den bestmöglichen Unterricht leisten können, so werden die Schulen dieses Landes Weltklasse sein. Diese einfache Erkenntnis umzusetzen schaffen allerdings nur ganz wenige Staaten, beispielsweise Kanada, Singapur oder Finnland, während Österreich und Deutschland weit davon entfernt sind. Wir brauchen ein neues Lehrerbild, das dem 21. Jahrhundert entspricht. Lehrer leisten ihre Arbeit acht Stunden pro Tag an ihrer Schule an einem modernen Arbeitsplatz. Das lässt sich am besten durch ein faires Jahresarbeitszeitmodell umsetzen. Es ist hoch an der Zeit, das seit mehreren Legislaturperioden angekündigte Mittelmanagement an größeren Schulen zu realisieren. Damit würde der Leistungsgedanke gestärkt und besonders engagierte Lehrer hätten erstmals Aufstiegsmöglichkeiten.